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Fußball-EM
Was am Rande eines EM-Spiels so passiert

Wer macht das beste Siegerbild? Fotografen nehmen die spanische Mannschaft ins Visier.
Wer macht das beste Siegerbild? Fotografen nehmen die spanische Mannschaft ins Visier. Foto: Sven Hoppe
Bei einem EM-Duell ereignen sich auch abseits des Felds viele Dinge. Wir haben beim Halbfinale zwischen Spanien und Frankreich mal genau hingeguckt und hingehört.

München. Unsere Zeitung hat beim Halbfinalspiel in München zwischen Spanien und Frankreich explizit auf die Kleinigkeiten am Rand des Geschehens geachtet. Eine Anekdotensammlung fern von Treffern, Torszenen, Taktik und Trainerplattitüden bei der Fußball-Europameisterschaft.

19.47 Uhr: Das spanische Team ist besonders früh in der Münchner Arena. Einige Spieler lassen das noch spärlich gefüllte Stadion auf sich wirken und stehen in Trainingsklamotten beim lockeren Plausch zusammen – bis der Rasensprenger angeht und die Gruppe von ihrem lauschigen Plätzchen vertreibt. Eine nasse Abkühlung bei 27 Grad? So mancher Fan auf der Tribüne wäre froh darüber gewesen.

19.51 Uhr: Ein Trompeter in der spanischen Kurve stimmt die Nationalhymne der Iberer an und wenig später auch „¡Viva España!“. Dani Olmo bekommt das noch nicht mit: Der Mittelfeldmann von RB Leipzig wird gerade in den Katakomben interviewt. Ob er da schon ahnt, dass er eines seiner besten Länderspiele im Dress der Furia Roja machen wird und das entscheidende Siegtor zum 2:1 erzielt?

20.27 Uhr: Spaniens Kapitän Alvaro Morata wärmt sich mit seinen Teamkollegen auf. Bei einer Übung dreht sich der Mittelstürmer unvermittelt zu seiner Familie auf der Tribüne um und wirft ihr ein strahlendes Lachen zu: In der vierten Reihe sitzt im roten Sommerkleid seine Frau Alice Campello-Morata sowie drei der vier gemeinsamen Kinder, die Nationaltrikots mit der Aufschrift „Papá“ tragen. Bei so viel Familiensupport kann nichts mehr schiefgehen.

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21.19 Uhr: Marc Cucurella spielt einen Rückpass in der eigenen Hälfte ins Seitenaus und erntet höhnisches Gelächter aus dem Publikum. Der 25-jährige Linksverteidiger ist bei den vielen deutschen Fans im Stadion eine Persona non grata seit seinem nicht geahndeten Handspiel im Viertelfinale gegen die DFB-Auswahl. Schon bei der Mannschaftsaufstellung wird Cucurella ausgepfiffen, ebenso bei jedem Ballkontakt. Seine braune Lockenmähne erleichtert dabei die Identifikation des Sündenbocks fürs deutsche EM-Aus. „Ich weiß nicht, warum er ausgepfiffen wurde. Die Pfiffe haben ihn aber nur noch mehr motiviert“, kommentiert Trainer Luis de la Fuente später. Auf den EM-Ausrichter lässt er aber nichts kommen: „Deutschland ist ein großartiger Gastgeber. Die, die gepfiffen haben, repräsentieren das Land nicht.“

21.43 Uhr: Trotz des 1:2-Rückstands intonieren die französischen Anhänger mit Verve die Marseillaise. Auf der Gegenseite kommt prompt die Replik und die spanische Hymne „Marcha Real“ wird mangels Text zumindest melodisch-akustisch intoniert. Auch der Schlachtruf „Allez les Bleus!“ („Auf geht’s, Blaue!“) ertönt immer wieder aus dem Fanblock der Franzosen.

22.15 Uhr: Unter dem Johlen der Zuschauer saust ein erster Flitzer aufs Feld und filmt sich mit dem Handy bei seinem (vergeblichen) Versuch, den acht auf ihn angesetzten Ordnern zu entkommen. Kurz nach dem Abpfiff fordern noch zwei weitere Flitzer die Sicherheitskräfte zum Wettlauf heraus. Das letzte Rennen ist Slapstick pur: Nachdem ein erster Ordner noch auf dem Feld ausrutscht und auf dem Bauch landet, checkt ein anderer den ungebetenen Rasenbesucher nieder, worauf sich seine vielen Kollegen auf den Eindringling stürzen und diesen unter sich begraben.

22.46 Uhr: In der 89. Minute endlich ein Liebesbeweis für Cucurella. Nach einem rüden Foul des Franzosen Eduardo Camavinga am spanischen Abwehrspieler rufen die Fans voller Inbrunst seinen Namen. Auch die deutschen Zuschauer pfeifen Cucurella längst nicht mehr so laut aus wie noch in der ersten Hälfte. Vielleicht weil der Profi des FC Chelsea diesmal nicht Handball, sondern wirklich Fußball spielt?

23.34 Uhr: Die Pressekonferenz beginnt. Zwölf Minuten muss Frankreichs Coach Didier Deschamps erklären, warum die Équipe Tricolore ausgeschieden ist. 22 Minuten darf Spanien Trainer de la Fuente sein Team loben – vor allem seinen Wunderknaben Lamine Yamal. „Wir haben einen Geniestreich gesehen“, schwärmt der 63-Jährige vom Traumtor des 16-jährigen Teenagers in der 21. Minute zum 1:1.

0.14 Uhr: Der Beste kommt zum Schluss: Yamal, der Star des Abends, betritt etwas schüchtern das Podium mit seiner Trophäe für den Spieler des Spiels. Viele seiner Altersgenossen sind da bereits längst im Bett, um für den nächsten Schultag fit zu sein. Fünf Minuten beantwortet der Zehntklässler, der gerade seinen mittleren Bildungsabschluss macht und Online-Unterricht hat, statt Lehrerfragen nun die der Journalisten. Der Rummel um seine Person? „Ich versuche, mir da keinen großen Kopf zu machen“, sagt der Rechtsaußen des FC Barcelona. Übrigens: Laut deutschem Jugendschutzgesetz darf Yamal als 16-Jähriger nach 23 Uhr eigentlich nicht arbeiten, sprich kicken und Interviews geben.

0.28 Uhr: Die letzten Zuschauer und Mitarbeiter verlassen das Stadion. Zwei Ordner drehen sich noch mal um und zeigen sich hellauf begeistert von der bunt erleuchteten Arena. Ein Moment, der festgehalten werden muss. Um ein Erinnerungsfoto zu knipsen, nehmen sie ihr Smartphone hoch und visieren die Spielstätte des FC Bayern München an. Doch just in dem Moment wird das Licht abgeschaltet und das Stadion erscheint nur noch in kargem Weiß in der finsteren Nacht. „Das ist jetzt nicht passiert“, sagt der eine fassungslos. „Wahrscheinlich müssen die beim Strom sparen“, mosert der andere.