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Porträt
„Deutschland, meine zweite Heimat“

Afsoon Bandoor aus dem Iran gibt einen Bauch-Beine-Po-Kurs beim MTV Ludwigsburg.Foto: Ramona Theiss
Afsoon Bandoor aus dem Iran gibt einen Bauch-Beine-Po-Kurs beim MTV Ludwigsburg. Foto: Ramona Theiss
„Seit ich beim MTV bin, geht es mir besser“, sagt die 33 Jahre alte Afsoon Bandoor, „jetzt mache ich etwas Sinnvolles.“ Body Tuning heißt der Kurs, den die gebürtige Iranerin anbietet. Vor ihrer Flucht nach Deutschland hat sie als Personal Trainer gearbeitet und Psychologie studiert.

Ludwigsburg. Sie spreche sehr schlecht Deutsch, entschuldigt sich die junge Frau noch mehrfach, dann beginnt sie zu erzählen. Von der Flucht nach Deutschland aus politischen Gründen, der kleinen Wohnung in Neckarweihingen, in der sie gemeinsam mit ihrem Mann wohnt. Afsoon Bandoor berichtet von ihrem Psychologiestudium und ihrer Arbeit als Personal Trainer in Teheran. Sie und ihr Mann sind Christen und haben eine Aufenthaltserlaubnis über drei Jahre. Seit eineinhalb Jahren lernt sie Deutsch und spricht – anders als sie es selbst sagt – die neue Sprache schon sehr verständlich und vor allem ohne Hemmungen.

Eine größere Wohnung zu finden sei trotzdem sehr schwierig. Das belastet Afsoon Bandoor sehr. Die 33-Jährige wünscht sich ein Kind, doch das ist in der kleinen Wohnung nicht möglich. Bei der Suche nach einer Wohnung habe sie als Flüchtling auf dem angespannten Wohnungsmarkt einen großen Nachteil. „Die meisten Deutschen vertrauen Flüchtlingen nicht“, bedauert Afsoon Bandoor. Oft habe sie das Gefühl, als Leistungsempfängerin abgestempelt zu werden. Dabei wolle sie nicht vom Jobcenter abhängig sein, sondern auf eigenen Beinen stehen.

Doch das ist nicht so einfach, denn es heißt erst einmal Vokabeln lernen. „Wir sind jetzt drei Jahre Kinder“, habe sie zu ihrem Mann gesagt. „Wir müssen alles neu lernen. Sprache, Kultur, Regeln.“

Der Job beim MTV ist ein erster Schritt in die Selbstständigkeit. Immer montags trainiert sie mit Kursteilnehmerinnen für einen straffen Bauch, kräftige Beinmuskeln und einen knackigen Po. „Ich habe im Iran zehn Jahre Erfahrung als Personal Trainer gesammelt.“

Doch zum neuen Leben in Deutschland gehören auch neue Kontakte. Sie habe eine iranische Freundin, die in Möglingen lebt. Aber sie will nicht nur mit Flüchtlingsfrauen befreundet sein. „Ich will vorankommen und würde gerne deutsche Freunde finden“, sagt sie. „Dann könnte ich die vielen neuen Wörter auch anwenden.“

Beim Sprechen habe sie noch immer große Angst vor Missverständnissen. Das große Ziel ist jetzt die nächste Sprachprüfung. Wenn sie das Niveau B2 nachweisen können, öffnen sich neue Türen für sie und ihren Mann. Der ehemalige Chemie-Student will eine Ausbildung zum Verkäufer machen, Afsoon Bandoor will als Personal Trainer arbeiten und könnte sich eine Ausbildung zur Erzieherin vorstellen.

„Deutschland ist ein guter Ort zum Leben.“ Es gefalle ihr, dass es für alles Regeln gibt – nicht nur im Straßenverkehr. In ihrer Heimat könne man alle Regeln für Geld kaufen. Auch der Stellenwert der Frauen in der Gesellschaft sei in Deutschland viel besser als in ihrer Heimat. „Im Iran entscheiden die Männer.“

Die 33-Jährige hofft, dass sie dauerhaft in Deutschland bleiben und Fuß fassen kann – auch wenn sie oft Heimweh nach ihrer Familie im Iran habe: „Deutschland ist meine zweite Heimat.“